(Charly Foncken) Der Linner Franz Brillen von der Issumer Straße 17 hat über viele Jahre ein Tagebuch mit interessanten Begebenheiten in und um Linn geführt. Dieses Tagebuch wurde mir von den Nachfahren, insbesondere der Enkelin Elizabeth Anna Wirth, dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.
Franz Brillen berichtet in seinem Tagebuch, dass er seit 1911 Vereinsmitglied im Turnverein war. In der Turnabteilung gab es eine Unterabteilung, die sich Jünglings- und Zöglingsriege nannte. Franz fungierte in dieser Riege als zweiter Vorturner. Der allseits bekannte Josef Schiffer war erster Vorturner. Weiterhin beschreibt Franz Brillen, was für viele heute undenkbar ist, dass die Turnstunde abends von 21 bis 23 Uhr stattfand, „weil wir erst um 19 Uhr abends von der Arbeit kamen.“ Nach den langen und anstrengenden Arbeitsstunden waren für die damalige Jugend die Turnstunden in der Gemeinschaft ein willkommener Ausgleich.
(Anmerkung: Die Chronik des Turnvereins aus diesen Jahren berichtet, dass das Interesse am Turnbetrieb besonders bei den Jugendlichen sehr groß war. Die ersten Turnabende fanden in den Nebenräumen der Gaststätte „Vincentz“ auf der Rheinbabenstraße 119 statt. Diese Gastwirtschaft wurde schnell zu klein, sodass die Turnstunden in den gegenüberliegenden Saal von „Vins“ verlegt wurden. Auch die vielen Gerätschaften -Barren, Reck, Seitpferd, Turnmatten und die Ringe- konnten hier besser untergebracht werden. Der Saal von „Vins“ wurde später bekannt als der Saal von „Dahmen“ und „Kaisler“. Zur besseren Orientierung sei hier noch erwähnt, dass der Turnverein im Jahre 1899 in der vorgenannten Gastwirtschaft auf der Rheinbabenstraße 119, die unter den Linnern als „Fleegefall“ bekannt war, von 13 Linnern gegründet worden war).
Eine Begebenheit beschreibt Franz Brillen folgendermaßen: Franz Vins, der einige Jahre älter war, turnte im Saal mit seinen Altersgenossen aus der Schule. Weil Franz (Brillen) ein guter Turner war, nahmen sie ihn einmal mit zum Turnen. Zuletzt kamen immer die Ringe an die Reihe. Diese hingen so hoch, dass man sie nur mit einer Leiter erreichen konnte. „Sie hängten mich an die Ringe, zogen die Leiter fort und gingen laufen. Ich habe geweint und gerufen, aber niemand kam. Zuletzt ließ ich mich fallen und fiel dabei auf den Ellenbogen. Dieser Dummejungenstreich endete mit einem sechswöchigen Gipsverband.“
Als Mitglied im Turnverein war es selbstverständlich, dass Franz Brillen mit seinen Freunden in die vom Turnverein gegründete Kompanie der Afrika-Kämpfer eintrat. Zur damaligen Zeit herrschte noch die Monarchie unter Kaiser Wilhelm II. und das Deutsche Reich hatte in Afrika einige Kolonien. Franz Brillen berichtet weiter, dass diese Gruppe die erste im Linner Schützenzug bei der Parade war. Schützenkönig in jenem Jahre 1912 war Heinrich Girmendonk, sein späterer Lehrmeister bei den Guano-Werken im Hafen.
Aus dieser Gruppierung der Afrika-Kämpfer entwickelte sich später die Formation der 1. Schützenkompanie, die von 1903 bis zum heutigen Tag traditionsgemäß den Turnverein bei den Linner Burg-, Trachten- und Heimatfesten würdig vertritt. Die Nachfahren von Franz Brillen -sein Sohn Franz-Josef und die Enkel Johannes und Markus Brillen- sind bis zum heutigen Tage aktive Mitglieder im Turnverein!